Small Caps: unterwegs in Europa
Tzoulianna Leventi teilt ihre Erkenntnisse aus der Herbstkonferenzsaison in Europa.

Dauer: 5 Minuten
Datum: 03. Nov. 2025
Bei beiden Veranstaltungen traf ich mich mit fast 25 Unternehmen aus verschiedenen europäischen Ländern und Branchen und führte weitreichende Gespräche mit Führungskräften aus der Wirtschaft, politischen Entscheidungsträgern und Aktienanalysten. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse.
Die Verteidigungsindustrie ist nicht mehr wegzudenken
Engagements in der Verteidigungsindustrie waren für Investoren über ein Jahrzehnt lang ein rotes Tuch. Das ist nun vorbei. Dank der Handelspolitik von US-Präsident Trump, seiner Haltung zur NATO und dem anhaltenden Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ist Verteidigung zu einem heißen Thema geworden und wurde bei fast jedem Treffen, an dem ich teilgenommen habe, diskutiert.
Was die Verteidigungsausgaben als Prozentsatz des BIP angeht, scheint Europa in drei verschiedene Gruppen gespalten zu sein:
Frontstaaten (Polen, Finnland, baltische Staaten): Diese Länder liegen am nächsten an der Konfliktzone und werden aufgrund ihrer erhöhten Risikowahrnehmung voraussichtlich die höchsten Verteidigungsausgaben tätigen.
Große westliche Mächte (Deutschland, Großbritannien, Frankreich): Deutschland sticht hervor, da es finanziell in der Lage ist, seinen Verteidigungsbedarf zu decken. Großbritannien und Frankreich sind finanziell eingeschränkt und werden sich wahrscheinlich auf selektive Kapazitätserweiterungen konzentrieren.
Südeuropa (Italien, Spanien): Diese Länder sind weiter vom Konflikt entfernt und stehen vor der Herausforderung, ihre Bevölkerung von einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben zu überzeugen.
Ich traf mich mit Indra Sistemas, einem spanischen Unternehmen, das sich als spanischer Marktführer im Bereich Verteidigung positioniert. Das Unternehmen verzeichnete im vergangenen Jahr einen deutlichen Anstieg seines Auftragsbestands und setzte gleichzeitig seine Akquisitionsstrategie fort. Ein Unternehmen, das man im Auge behalten sollte.
Deutschland öffnet die fiskalischen Schleusen
Nach zwei Jahren wirtschaftlicher Kontraktion und Jahrzehnten der Unterinvestition markiert die Lockerung der Schuldenbremse in Deutschland eine bedeutende Wende, sowohl im Inland als auch in ganz Europa. Die Reform ermöglicht öffentliche Investitionen in Höhe von 500 Milliarden Euro in den nächsten 12 Jahren, die für Verteidigung, Infrastruktur, Klimaschutzinitiativen, Bildung und Gesundheitswesen vorgesehen sind.
Mehrere Unternehmen werden davon profitieren, auch wenn sich die Auswirkungen noch nicht in ihren Gewinn- und Verlustrechnungen niederschlagen. Ich gehe davon aus, dass die Ausgaben ab 2026 sichtbar werden und aufgrund des strategischen Charakters der Investitionen längerfristige Vorteile mit sich bringen werden.
Frankreichs politisches Karussell
Die politische und wirtschaftliche Lage in Frankreich ist nach wie vor sehr instabil. Das jüngste Misstrauensvotum gegen den ehemaligen Premierminister François Bayrou und die Wiederernennung von Sébastien Lecornu – der selbst zwei Misstrauensanträge knapp überstanden hat – unterstreichen diese Volatilität. Die fragile Regierung von Lecornu sieht sich mit einem gespaltenen Parlament, umstrittenen Haushaltsverhandlungen und wachsender Frustration in der Bevölkerung konfrontiert. Wer versucht, die Nachrichten zu verfolgen, bekommt fast einen Schleudertrauma.
Es überrascht nicht, dass einige der Unternehmen mit Frankreich-Engagement, die ich auf meinen Reisen getroffen habe, hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Eine Ausnahme bilden global ausgerichtete Unternehmen wie GTT, das sich auf LNG-Containersysteme (Flüssigerdgas) spezialisiert hat und trotz seiner Notierung in Frankreich von seiner internationalen Ausrichtung profitiert.
Zölle, Zölle überall
Die anhaltenden Auswirkungen der US-Zölle waren ein weiteres wichtiges Thema. Es gab viele Fragen – nicht zuletzt, wer die Kosten tragen wird: Verbraucher, Unternehmen oder Zwischenhändler?
Ich traf mich mit CIE Automotive, einem traditionsreichen Beteiligungsunternehmen und führenden spanischen Automobilzulieferer. Trotz eines schwierigen Starts ins Jahr 2025 für den Automobilsektor – vor allem aufgrund der Zollandrohungen von Trump – hat das Unternehmen solide Aussichten und verbesserte Margen vorgelegt. Sein Wachstum wird durch eine starke Präsenz in Schwellenländern angetrieben und das Engagement in diesen Märkten hat noch weiteres Potenzial.
Da europäische OEMs (Original Equipment Manufacturers) unter dem Druck chinesischer Fahrzeuge stehen und die USA versuchen, die Lage nach den Zöllen zu stabilisieren, liegt die Zukunft des Wachstums in den Schwellenländern. Die größte Herausforderung für CIE Automotive besteht darin, hohe Margen aufrechtzuerhalten und gleichzeitig das Geschäft weiter auszubauen.
Das Streben nach inländischen Umsätzen
Ein herausragendes Treffen war das mit ASR Nederland, einer niederländischen Versicherungsgruppe, das mich daran erinnerte, wie wichtig es ist, sich auf inländische Einnahmen zu konzentrieren. ASR ist ausschließlich auf dem niederländischen Markt tätig und hat dank der disziplinierten Umsetzung durch das Management seit Jahresbeginn eine gute Performance erzielt. Die niederländische Rentenreform hat ebenfalls zum Wachstum in den Kerngeschäften beigetragen.
Gleichzeitig hat die erfolgreiche Integration von Aegon Nederland den Kundenstamm erweitert und die operative Effizienz verbessert. Beeindruckende Underwriting-Ergebnisse und gesunde Zuflüsse haben die Rentabilität gestützt. Die lokale Anlagestrategie stärkt die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens.
Italienische Vermögensverwalter: von BTPs zu ETFs
Seit fast einem Jahr verzeichnen italienische Vermögensverwalter bemerkenswerte Zuflüsse. Angesichts sinkender Zinsen wechseln Anleger von italienischen Staatsanleihen (BTPs) zu risikoreicheren Anlagen. Ein massiver generationsübergreifender Vermögenstransfer hat die Zuflüsse weiter angekurbelt.
Ich traf mich mit FinecoBank, wo die jüngsten Ergebnisse robuste Zuflüsse und erfolgreiche Kundenakquise bestätigten. Mit einem Anteil von rund 70 % am lokalen Markt für börsengehandelte Fonds (ETFs) ist FinecoBank gut positioniert, um in diesem Bereich in ganz Italien eine bedeutende Rolle zu spielen.
Abschließende Gedanken…
Konferenzen sind immer eine wertvolle Gelegenheit, um Unternehmen und Investoren zu treffen und einzuschätzen, wohin sich Europa entwickelt. Wie immer gab es positive und negative Aspekte. Verteidigungsausgaben schaffen neue Chancen. Die Schwellenländer öffnen sich für Automobile, während die inländischen Einnahmen nach wie vor wichtig sind. Die politische Lage bleibt turbulent.
Vor diesem Hintergrund werde ich auch weiterhin zahlreiche hochkarätige europäische Unternehmen treffen, die Ergebnisse liefern und Marktanteile gewinnen. Mit Blick auf das Jahr 2026 ist eines klar: Für einen europäischen Investmentmanager wird es nie langweilig.
Die Unternehmen werden nur zu Illustrationszwecken ausgewählt, um den hier beschriebenen Anlageverwaltungsstil zu veranschaulichen, und stellen keine Anlageempfehlung oder Hinweis auf die zukünftige Wertentwicklung dar.




