Was sind derzeit die wichtigsten Chancen und Trends bei Anleihen?
Erfahren Sie mehr in diesem ausführlichen Interview mit Jonathan Mondillo, Global Head of Fixed Income bei Aberdeen Investments.

Dauer: 7 Minuten
Datum: 21. Aug. 2025
Welche Chancen, Risiken, Innovationen und Trends gibt es derzeit bei Anleihe-Investments? Lesen Sie das Interview mit Jonathan Mondillo, Global Head of Fixed Income, um mehr zu erfahren.
Wo liegen derzeit die besten Chancen für Anleihe-Investments?
JM: Wir glauben, dass es eine Reihe potenzieller Chancen gibt, die je nach Risikobereitschaft der Anleger in Betracht gezogen werden können.
Historisch gesehen war ein Umfeld mit langsamen (aber dennoch positiven) Wachstum, wie wir es derzeit haben, tendenziell günstig für Unternehmensanleihen. Obwohl die Creditspreads geschrumpft sind, sind die Gesamtrenditen im historischen Vergleich immer noch attraktiv. Gleichzeitig sind die Fundamentaldaten der Unternehmen robust, mit guter Rentabilität, geringer Verschuldung und guter Zinsdeckung.
Im Falle einer stärkeren Konjunkturabkühlung wäre es sinnvoll, auf eine höhere Bonität zu setzen. Derzeit gefallen uns insbesondere kurzfristige Investment-Grade-Anleihen aufgrund ihrer attraktiven langfristigen risikobereinigten Renditen und ihrer geringen Volatilität, die vor allem für risikobewusste Anleger interessant sein dürfte. Allerdings ist eine starke Konjunkturabschwächung oder gar eine Rezession keineswegs unser Basisszenario. Tatsächlich ist Selektivität entscheidend, da selbst unter schwierigeren wirtschaftlichen Bedingungen einige hochwertige Hochzinsanleihen attraktiv sein können.
Ansonsten bleibt das Interesse der Anleger an Schwellenländeranleihen (EMD) weiterhin hoch. In diesem Jahr haben wir eine recht deutliche Abschwächung des US-Dollars erlebt. Dies hat natürlich den Schwellenländeranleihen in Lokalwährung geholfen, die bislang das Segment mit der besten Performance im Bereich EMD im Jahr 2025 sind.
Ein weiterer Bereich, der sich gut entwickelt, sind Frontier-Anleihen. Hier gehen höhere Renditen wie immer mit einem zusätzlichen Risiko einher, aber der Trend zur „Entdollarisierung“ hat sich als hilfreich erwiesen. Darüber hinaus scheinen die Anleger zu dem Schluss zu kommen, dass einige Frontier-Titel relativ gut vor den negativen Auswirkungen der Zölle geschützt sein könnten.
Welche Risiken bestehen für Anleihen in den nächsten 12 Monaten?
JM: Wir würden drei große Risikobereiche hervorheben.
Erstens gibt es geopolitische Spannungen, insbesondere den anhaltenden Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sowie die Ereignisse im Nahen Osten. Und auch der Trend zu zunehmendem globalem Handelsprotektionismus hat eine geopolitische Dimension, die, wie wir bereits gesehen haben, das Anlegerklima negativ beeinflussen kann. Was die US-Zölle angeht, so gibt es zwar etwas mehr Klarheit, aber dennoch einige Unsicherheiten, darunter das Ausmaß der negativen Auswirkungen auf den globalen Handel und das Wachstum.
Zweitens beobachten wir vor allem in den Industrieländern, darunter die USA, Großbritannien und Europa, eine Tendenz zu höheren staatlichen Defizitausgaben. Dies sollte man im Auge behalten, da Anleiheinvestoren befürchten, dass die daraus resultierende Zunahme der Anleiheemissionen die Laufzeitprämien in die Höhe treiben könnte.
Schließlich gilt es auf einen spezifischeren oder eher nischenartigen Bereich, nämlich das potenziell steigende Refinanzierungsrisiko im unteren Bereich der Hochzinsanleihen, zu achten. Insbesondere in den letzten Monaten haben wir Anzeichen für einen Anstieg der Emissionen sogenannter „Payment-in-Kind”-Anleihen (PIK) beobachtet. Dabei handelt es sich um Anleihen, bei denen die Zinsen in der Anfangsphase nicht in bar, sondern in Form von zusätzlichen Anleihen gezahlt werden.
Welche Rolle spielt Private Credit?
JM: Wir glauben, dass eine Allokation in Private Credit heute in den meisten Portfolios eine wertvolle Rolle spielen kann. Zwar sind Private Credit bereits in gewisser Form in Portfolios vertreten, doch beobachten wir, dass Anleger ihre Allokationen in neueren Bereichen des Marktes wie Fund Finance erhöhen möchten. Auch in Wholesale-Portfolios sehen wir zunehmend Allokationen in Private Credit....
Private Credit bietet eine einzigartige Kombination von Vorteilen für Anleger, darunter höhere Renditen und ein Engagement in einem breiteren Spektrum von Emittenten.
Dies ist sinnvoll, da Private Credit eine einzigartige Kombination verschiedener Vorteile für Anleger bieten, darunter höhere Renditen, ein Engagement bei einer größeren Bandbreite von Emittenten, was zur Diversifizierung beiträgt, sowie ein höherer Schutz, beispielsweise durch Sicherheiten.
Natürlich ist die höhere Rendite von Private Credit in erster Linie ein Ausgleich für die geringere Liquidität, da diese Art von Schuldtiteln nicht wie öffentliche Schuldtitel aktiv gehandelt wird. Dies ist also ein Risikofaktor, den Anleger bei dieser Anlageklasse unbedingt verstehen müssen. Anleger müssen insbesondere sicherstellen, dass sie für diese Illiquidität entschädigt werden. Daher ist ein tiefgreifendes Verständnis des Marktwerts sowohl öffentlicher als auch privater Anleihen von entscheidender Bedeutung.
Ein weiterer erwähnenswerter Aspekt von Private Credit ist, dass in der Regel weniger Informationen über die Kreditnehmer verfügbar sind. Dazu gehört auch das Fehlen von Ratings der großen Ratingagenturen. Daher sind wir der Meinung, dass Anleger umso mehr auf Fondsanbieter mit starken und bewährten internen Kreditresearch-Kompetenzen achten sollten.
Wie stehen Sie zu börsengehandelten Fonds (ETFs) und anderen passiven Anleiheprodukten?
JM: Wir glauben, dass sowohl passive als auch aktive Anlagelösungen im Bereich festverzinslicher Wertpapiere eine Rolle spielen. Tatsächlich sind wir auch der Meinung, dass systematischere Ansätze, die weder vollständig aktiv noch vollständig passiv sind, sondern vielmehr einige gute Aspekte beider Ansätze kombinieren, eine Rolle spielen.
Allerdings ist der Bereich festverzinslicher Wertpapiere eine Anlageklasse, in der aktive Ansätze in der Vergangenheit tendenziell relativ gut abgeschnitten haben, insbesondere im Vergleich zu Aktien. Dies lässt sich durch verschiedene strukturelle Faktoren erklären, darunter eine allgemein geringere Liquidität und fragmentiertere Märkte. Und diese Art von strukturellen Ineffizienzen bieten erfahrenen Managern Chancen für eine Outperformance. Am Beispiel von Aberdeen sind wir stolz darauf, dass 90 % bzw. 94 % unserer aktiv verwalteten festverzinslichen Vermögenswerte ihre Benchmarks über einen Zeitraum von drei bzw. fünf Jahren übertroffen haben [1].
Bei passiven Anlageansätzen wird das Potenzial für eine Outperformance gegenüber den Benchmarks natürlich aufgegeben. Insbesondere bei ETFs gibt es jedoch andere Vorteile, wie niedrigere Kosten, größere Transparenz der Bestände und eine einfachere Handelbarkeit.
Daher würden wir je nach Kundennachfrage nicht abgeneigt sein, Chancen für Produktentwicklungen in diesem Bereich zu prüfen, insbesondere im Hinblick auf aktive Fixed-Income-Strategien innerhalb eines ETF-Wrappers.
Ist Nachhaltigkeit für Anleiheinvestitionen relevant?
JM: Kurz gesagt: Ja. Wir glauben, dass Nachhaltigkeit und ESG-Faktoren (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) für Anleiheinvestitionen von großer Bedeutung sind....
…eine strukturierte ESG-Bewertung ist Teil unserer treuhänderischen Verantwortung gegenüber unseren Kunden.
Wir sind überzeugt, dass uns unser Ansatz, ESG-Kriterien in unser Anleiheresearch zu integrieren, ein viel vollständigeres Bild der Risiken und Chancen vermittelt, die sich auf die künftige Finanzlage von Emittenten auswirken könnten. Angesichts der offensichtlichen Bedeutung von ESG-Faktoren für viele Emittenten sind wir der Ansicht, dass eine formalisierte ESG-Bewertung Teil unserer treuhänderischen Verantwortung gegenüber unseren Kunden ist.
Sehen Sie weitere interessante Trends auf dem Markt und wie reagiert Aberdeen darauf?
JM: Derzeit gibt es mehrere bemerkenswerte Trends auf dem Markt.
Wie bereits erwähnt, befinden wir uns in einem Umfeld sinkender Zinsen. Angesichts von rund 7 Billionen US-Dollar, die „an der Seitenlinie warten” (in Bargeld oder liquiden Anlagen), beobachten wir ein zunehmendes Interesse der Anleger an tragfähigen Lösungen, um aus dem Geldmarktbereich herauszukommen. Unserer Ansicht nach ist eine Anlageklasse, die in dieser Hinsicht wirklich viele Kriterien erfüllt, kurzfristige globale Anleihen – daher haben wir ein spezielles Produkt entwickelt, unseren Short Dated Enhanced Income Fund, der unserer Meinung nach die Anforderungen der Anleger in diesem Segment wirklich erfüllt.
Private Credit ist ein wichtiger Wachstumsbereich für Investments, der, wie bereits erwähnt, Kunden das Potenzial für höhere Renditen und eine verbesserte Diversifizierung bietet. Wir haben darauf reagiert, indem wir unser Angebot in diesem Bereich erweitert haben. So haben wir beispielsweise kürzlich einen speziellen Fonds für Fund Finance aufgelegt, der in Investment-Grade-„Subscription Line Facilities” investiert, bei denen es sich um hochwertige Kredite an Private-Market-Fonds handelt.
Schließlich gibt es eine wachsende Nachfrage nach nachhaltigeren Anlagen, die wir sowohl bei unseren institutionellen als auch bei unseren Wholesale-Kunden beobachten. Wie bereits erwähnt, haben wir dafür gesorgt, dass die ESG-Analyse fest in unserem Kreditresearch-Rahmen verankert ist. In diesem Zusammenhang haben wir eigene Nachhaltigkeits-Research-Rahmenwerke und -Tools entwickelt, um sicherzustellen, dass wir die besten nachhaltigen Anlageideen für unsere Kunden identifizieren.
Und natürlich beeinflusst dieser Trend auch unsere Produktentwicklungsinitiativen. Einige Beispiele für unsere Angebote in diesem Bereich (die wir ebenfalls für sehr innovativ halten) sind der Climate Transition Bond Fund, der Global High Yield Sustainable Bond Fund und der Emerging Markets SDG Corporate Bond Fund.
- Aberdeen Investments H1 Finanzergebnisse (S. 9), Aberdeen Group plc Halbjahresbericht 2025.pdf