Der Begriff „Sovereign Ceiling“ (Staatsrating-Deckelung) bezeichnet die Tendenz internationaler Ratingagenturen, die Ratings von Unternehmensanleihen auf Höhe des Staatsratings des Heimatlandes des Unternehmens zu begrenzen. In diesem Beitrag untersuchen wir die Gründe für die Sovereign Ceiling und prüfen deren mögliche Auswirkungen auf Investments in Unternehmensanleihen aus Schwellenländern.

Die Logik der "Sovereign Ceiling“

Unter „Sovereign Ceiling“ versteht man im Wesentlichen, dass die Bonität von Unternehmensanleihen in gewisser Weise durch die Bonität des Landes begrenzt wird, in dem das emittierende Unternehmen ansässig ist. Diese Vorgehensweise der internationalen Ratingagenturen ist durchaus nachvollziehbar.

Erstens agieren Unternehmen und Regierungen im gleichen Umfeld. Ein wirtschaftlicher Abschwung auf Länderebene kann sich auf die Finanzlage und die Aussichten inländischer Unternehmen auswirken.

Zweitens besteht eine potenzielle rechtliche und regulatorische Verflechtung, da souveräne Regierungen die Macht haben, Unternehmen innerhalb ihres Hoheitsgebiets direkt zu beeinflussen. Dies kann beispielsweise durch eine Änderung der Steuerpolitik oder die Einführung neuer Vorschriften geschehen.

In einigen Fällen kann die Regierung noch weitergehende Maßnahmen ergreifen, wie beispielsweise die Entziehung von Betriebsgenehmigungen, die Einführung von Devisenkontrollen oder in seltenen Fällen die Beschlagnahmung von Unternehmensvermögen. Diese Kategorie wird oft als „Transferrisiko“ bezeichnet – die Möglichkeit, dass die finanziellen Probleme eines Landes auf die in diesem Land tätigen Unternehmen übertragen werden.

Mögliche Probleme mit Deckelungen

Die Deckelung von Unternehmensanleihen auf dem Ratingniveau der Staatsanleihen hat zwar eine gewisse intuitive Berechtigung, birgt jedoch auch Herausforderungen.

Die Vorstellung, dass die Bonität von Unternehmen durch die Bonität ihres Herkunftslandes begrenzt sein muss, hat im Laufe der Jahre an Überzeugungskraft verloren. In der heutigen globalisierten Wirtschaft sind viele Unternehmen in mehreren Ländern tätig, sodass Beschränkungen auf Länderebene an Bedeutung verlieren.

Gleichzeitig haben sich die Corporate Governance und die Fundamentaldaten der Schwellenländer-Unternehmensanleihen deutlich verbessert. Dies spiegelt sich in den besseren Ratings der Schwellenländerunternehmen wider. Im Jahr 2024 verzeichneten Schwellenländeranleihen den größten positiven Netto-Ratinganstieg seit 2012, wobei die Heraufstufungen die Herabstufungen um netto 70 Milliarden US-Dollar oder 2,8 % der gesamten ausstehenden Schwellenländer-Unternehmensanleihen übertrafen [1].

Ein weiterer Indikator für diesen Trend ist die Zusammensetzung des JP Morgan Corporate Emerging Markets Bond Index. Anleihen mit einem Rating von A und höher machen nun 37 % des Index aus, verglichen mit durchschnittlich 32 % in den letzten fünf Jahren [2].

Auswirkungen auf die Investments

Da sich die Fundamentaldaten der Unternehmen in den Schwellenländern im Allgemeinen verbessern und die Ratings im Laufe der Zeit ansteigen, gibt es immer mehr Fälle, in denen die Obergrenze für das Länderrating zu einer relevanten Einschränkung wird. In solchen Fällen kann eine Diskrepanz zwischen den Ratings und den tatsächlichen Fundamentaldaten der Unternehmen eine Quelle für Marktineffizienzen sein, die erfahrene aktive Anleihemanager potenziell ausnutzen können.

Fallstudie – Turkcell gegen Vodafone

Um die Auswirkungen der staatlichen Deckelung zu veranschaulichen, betrachten wir zwei führende Telekommunikationsunternehmen: Turkcell, den größten Mobilfunkbetreiber in der Türkei, und Vodafone, den Marktführer im Vereinigten Königreich.

Turkcell verfügt über bessere Fundamentaldaten als Vodafone, darunter einen höheren Inlandsmarktanteil, eine überlegene Gewinnmarge (Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) und eine deutlich geringere Nettoverschuldung. Dennoch werden seine Anleihen mit einem deutlichen Abschlag gehandelt. Sowohl die Bruttorendite als auch der Z-Spread (die Renditeprämie gegenüber US-Staatsanleihen) liegen mehr als zwei Prozentpunkte über denen von Vodafone.

Turkcell/Vodafone-Bewertungen und Fundamentaldaten

Quelle: Unternehmenswebseiten, Bloomberg, Mai 2025.

Wie lässt sich diese scheinbare Anomalie erklären? Wie immer wäre es zu simpel, einen einzigen Faktor zu nennen. In diesem Fall scheint es jedoch so zu sein, dass das Credit-Rating von Turkcell, das mit BB- unter Investment-Grade-Niveau–und vier Stufen unter dem Investment-Grade-Rating BBB von Vodafone liegt, zumindest teilweise durch das türkische Staatsrating B+ beeinträchtigt wird.

Das bedeutet natürlich nicht, dass die Unternehmensanleihen von Turkcell unbedingt billig oder attraktiv sind. Die Schlüsselfrage für Investoren ist, ob der 230 Basispunkte höhere Spread von Turkcell gegenüber Vodafone alle relativen Nachteile angemessen kompensiert, einschließlich der Risiken, die mit der Geschäftstätigkeit in einem Land mit niedrigerem Rating verbunden sind.

Diese Art der Analyse erfordert die Fähigkeit, sowohl die Risiken von Staaten als auch die Grundlagen der Unternehmensanleihen zu bewerten.

Abschließende Gedanken...

Die Obergrenze für die Bonitätseinstufung von Unternehmensanleihen aus Schwellenländern hat eine gewisse Logik. Im Laufe der Zeit hat sich diese Logik jedoch abgeschwächt. Dies ist auf die zunehmende Globalisierung der Unternehmen in den Schwellenländern sowie auf strukturelle Verbesserungen der Credit-Fundamentaldaten zurückzuführen, die sich in der Entwicklung der Ratings widerspiegeln.

Infolgedessen nähern sich immer mehr Unternehmen aus den Schwellenländern den durch die von den Staatsanleihen gesetzten Rating-Obergrenzen oder sind bereits durch diese eingeschränkt. Dies schafft eine potenzielle Quelle für Marktineffizienz - eine Quelle, die ein erfahrener Anleger, der in der Lage ist, sowohl das Unternehmens- als auch das Staatsrisiko zu bewerten, ausnutzen kann.

  1. J.P. Morgan, Januar 2025.
  2. JP Morgan, Stand: 31. Dezember 2024