Die Schwellenländer befinden sich in einer entscheidenden Phase. Angesichts des rasanten Bevölkerungswachstums, der zunehmenden Urbanisierung und der sich wandelnden Volkswirtschaften stehen diese Regionen vor enormen Herausforderungen im Bereich der Infrastruktur.  

Doch diese Anforderungen sind keineswegs eine Belastung, sondern bieten vielmehr eine einzigartige Chance: Infrastruktur ist nicht nur ein Kostenfaktor – dessen Höhe bis 2050 auf rund 43 Billionen US-Dollar geschätzt wird –, sondern auch ein Katalysator [1].

Laut einer Studie der Weltbank aus dem Jahr 2022 generiert jeder Dollar, der für öffentliche Infrastruktur ausgegeben wird, 1,50 US-Dollar an zusätzlicher Wirtschaftsleistung.

Dieser Multiplikatoreffekt unterstreicht die Rolle der Infrastruktur als „Grundpfeiler“ für langfristiges Wachstum. Stromnetze, Straßen, Eisenbahnen und Häfen dienen nicht nur dem Transport von Gütern, sondern treiben auch ganz generell die Wirtschaft an.

Fortschritt vorantreiben: die Energieversorgung

Eine der drängendsten Herausforderungen für die Infrastruktur der Schwellenländer ist die Energieversorgung. Mit dem Wirtschaftswachstum und der Expansion des verarbeitenden Gewerbes steigt der Strombedarf rasant an.

Die Internationale Energieagentur prognostiziert, dass sich der Stromverbrauch in Indien, Afrika, dem Nahen Osten und Südostasien bis 2050 mehr als verdoppeln wird [2].

Um diesen Bedarf zu decken, reicht es jedoch nicht aus, einfach mehr Kraftwerke zu bauen. Die weltweite Umstellung auf erneuerbare Energien bedeutet, dass die Schwellenländer deutlich mehr Kapazitäten installieren müssen, als durch die Umrüstung traditioneller Energiequellen gewonnen werden können. Solar- und Windenergie sind zwar sauberer, aber weniger konstant und erfordern größere Anlagen und robuste Speicherlösungen.

Dieser Wandel erfordert auch eine umfangreiche unterstützende Infrastruktur, wie beispielsweise Übertragungsleitungen und Netzmodernisierungen. Chile beispielsweise steht vor der Herausforderung, seine reichlich vorhandenen Solarenergiequellen im heißen und trockenen Norden mit den Verbrauchszentren im Süden zu verbinden.

Trotz dieser Hürden machen die Schwellenländer Fortschritte. Im Gegensatz zur schwankenden politischen Unterstützung für grüne Investitionen in den Vereinigten Staaten – insbesondere in der zweiten Amtszeit von Präsident Donald Trump – geben viele Schwellenländer der Energiewende weiterhin Priorität.

Der politische Wille in den EM ist nach wie vor stark, angetrieben von den Aussichten auf wirtschaftliche Entwicklung, Energiesicherheit, Klimaresilienz und niedrigere Betriebskosten für erneuerbare Energien.

Chinas riesiger grüner Fußabdruck

Chinas Infrastrukturpläne verändern die globale Landschaft. Mit geplanten Investitionen in Höhe von 12 Billionen US-Dollar allein in die Stromerzeugung wird China das größte einzelne Infrastrukturprojekt aller Länder durchführen – fast ein Fünftel der weltweiten Infrastrukturausgaben in den nächsten 25 Jahren [3].

Diese Größenordnung hat Auswirkungen auf andere Länder. Chinas Investitionen in die Infrastruktur für erneuerbare Energien werden wahrscheinlich auch zu technologischen Fortschritten und Kostensenkungen führen, sodass andere Schwellenländer ähnliche Strategien leichter umsetzen können. Tatsächlich ist Chinas Infrastrukturausbau nicht nur eine nationale Strategie, sondern ein globaler Impulsgeber.

Über Energie hinaus: Verkehr und Handel

Energie ist nicht der einzige Sektor mit erheblichen Lücken. Die Verkehrsinfrastruktur – Straßen, Eisenbahnen und Häfen – ist in vielen Schwellenländern nach wie vor unterentwickelt. Während China erhebliche Fortschritte erzielt hat, hinken andere Schwellenländerregionen hinterher.

Unsere jüngsten Untersuchungen zeigen beispielsweise einen akuten Bedarf in den Ländern des Verbandes Südostasiatischer Nationen (ASEAN) und in Lateinamerika, insbesondere in Bezug auf Hafenkapazitäten und Straßennetze [4].

Der Druck durch die Deglobalisierung, wie Handelsspannungen und protektionistische Maßnahmen, hat zu Unsicherheiten hinsichtlich der Zukunft globaler Lieferketten geführt. Dennoch integrieren sich viele Schwellenländer weiterhin in diese Netzwerke.

Peru beispielsweise hat sich zu einem wichtigen Beispiel für ein Land mit ungenutztem Potenzial für den Ausbau seiner Häfen entwickelt. Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur werden unerlässlich sein, um den Handel zu fördern, die Logistikkosten zu senken und neue Wachstumsperspektiven zu erschließen.

Warum Investoren aufmerksam sein sollten

Der Umfang des Infrastrukturbedarfs in Schwellenländern ist enorm, aber ebenso groß sind die Chancen. Der Aufbau einer Infrastruktur ist nicht nur für das Wirtschaftswachstum unerlässlich, sondern auch für die Erreichung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung  (Sustainable Development Goals) der Vereinten Nationen.

Anleiheinvestoren spielen dabei eine entscheidende Rolle – sowohl an den traditionellen Kapitalmärkten als auch durch private Kreditlösungen. Emittenten von Infrastruktur-Anleihen in Schwellenländern profitieren häufig von langfristiger Cashflow-Transparenz und günstigen regulatorischen Rahmenbedingungen, was sie aus risikobereinigter Sicht attraktiv macht.

Obwohl sie über Investment-Grade-Merkmale verfügen, zahlen diese Emittenten in der Regel eine solide Renditeprämie – die zusätzliche Vergütung, die Anleger gegenüber vergleichbaren „risikofreien“ Staatsanleihen erhalten – von etwa 300 Basispunkten oder 3 Prozentpunkten.

Schwellenländer bieten auch Chancen im Bereich der Private Markets. Kredite, Privatplatzierungen und bilaterale Kreditvereinbarungen sind mit Illiquiditätsprämien von etwa 150 bis 300 Basispunkten gegenüber vergleichbaren öffentlich gehandelten Anleihen ausgestattet. Auf den Private Markets können Anleger außerdem strengere Schutzmaßnahmen wie Sicherheiten und Auflagen aushandeln und gleichzeitig die Portfoliorendite steigern und die Volatilität verringern.

Abschließende Gedanken

Schwellenländer stehen an einem Scheideweg zwischen Herausforderungen und Chancen. Infrastrukturinvestitionen – insbesondere in den Bereichen Energie und Verkehr – sind nicht nur wünschenswert, sondern strategisch unerlässlich.

Mit einer starken politischen Dynamik, günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und wachsendem Interesse der Anleger sind die Schwellenländer gut aufgestellt, um die nächste Welle der globalen Entwicklung anzuführen.

Der Weg ist noch lang, aber die Grundlagen sind gelegt. Und für diejenigen, die bereit sind, in diese Reise zu investieren, könnten die Gewinne bahnbrechend sein.

  1. Aberdeen, Mai 2025. Ausgaben in realen US-Dollar von 2025
  2. Internationale Energieagentur, Aberdeen, Mai 2025
  3. Aberdeen, Wie groß ist der weltweite Infrastrukturbedarf? Gilhooly, R., Addy, T., Bell, M., 22. Mai 2025
  4. Aberdeen, Wie groß ist der weltweite Infrastrukturbedarf? Gilhooly, R., Addy, T., Bell, M., 22. Mai 2025